Das Prinzip Jabber

Die Verwirrung geht schon bei der Namensgebung los...

Mal heißt es "Jabber", und mal hört man von "XMPP", was ist da los?

In aller Kürze: Früher hieß das alles Jabber. Dann vor einigen Jahren kaufte die Firma Cisco die Namensrechte an diesem Begriff (um einen eigenen proprietären Chatdienst zu etablieren).
Fortan durfte die Allgemeinheit den Begriff offiziell nicht mehr nutzen und man benannte das System um in XMPP.

(XMPP ist der Name des Protokolls, also dem zugrundeliegenden technischen System, auf dem alles basiert)

Heute hat es sich etabliert oft den Begriff "Jabber/XMPP" zu nutzen, damit alte und neue Nutzer Bescheid wissen um was es geht.

XMPP ist also im Kern einfach eine Chat-App, mit mehr oder weniger denselben Funktionen und Features wie Whatsapp und Telegram. Dazu gehören ordentlich verschlüsselte 1-zu-1-Chats, Gruppenchats, Dateiaustausch, Unterstützung der Nutzung mehrerer Clients, usw.

XMPP im Detail

Der wesentliche Unterschied bei XMPP ist jedoch, dass das System dem der eMail entspricht.
Das bedeutet, es gibt nicht den EINEN Anbieter, wie Facebook bei Whatsapp. Man kann (wie bei eMail) aus vielen Anbietern sich einen aussuchen und dort einen Account eröffnen.

Außerdem gibt es nicht die EINE App. Um Whatsapp zu nutzen muss man sich exakt die von Facebook zur Verfügung gestellte App herunterladen, genauso ist es bei Signal, Threema, etc. (Für Telegram gibt es tatsächlich alternative Clients, auch auf f-droid)
Bei XMPP gibt es eine Vielzahl an Apps und Desktop-Programmen aus denen man wählen kann.

Diese Unabhängigkeit ist einerseits einer der großen Vorteile des XMPP-Systems, gleichzeitig ist es aber auch für Neulinge etwas unübersichtlich sich damit zurechtzufinden.

Jeder mit jedem

Natürlich ist es bei XMPP auch so, dass man mit Nutzern anderer Anbieter kommunizieren kann - genau wie bei eMail. Nutzer von GMX können ja problemlos eine Mail an jemandem bei Freenet oder Posteo schicken. So ist es bei XMPP auch.

Die Adresse

Damit jeder mit jedem kommunizieren kann, braucht man bei XMPP eine eigene eindeutige Adresse. So eine Adresse sieht exakt so aus wie eine eMail-Adresse. Hier nennt man das aus historischen Gründen oft noch Jabber-ID (kurz JID), oder auch XMPP-Adresse.

Jeder Benutzer wählt also bei der Registrierung bei seinem Anbieter eine solche Adresse aus. Eine Jabber-ID wäre zum Beispiel: user@schwatzi.de

Immer erreichbar

XMPP erlaubt es im Gegensatz zu einigen anderen Chatsystemen von mehreren Orten gleichzeitig eingeloggt zu sein (z.B. auf dem Computer zu Hause und auf dem Mobiltelefon). Optional kann dieser Ort auch in der Jabber-ID sichtbar gemacht werden. Das sähe zum Beispiel so aus: user@schwatzi.de/mobil

Offener Unterbau

Die technischen Details (das Protokoll) auf dem XMPP basiert, heißt XMPP. Der Programmcode hierfür ist Open Source und damit für jeden einsehbar. Es kann also jeder einen Client programmieren oder das Protokoll als Unterbau für andere Dienste benutzen.

Whatsapp beispielsweise basiert im Kern auch auf XMPP. Die haben jedoch im Laufe der Jahre viele Anpassungen vorgenommen und die Software dann proprietär gemacht - d.h. den Programmcode kann und darf niemand einsehen.

Einen noch tieferen Einblick in die technischen Details von XMPP ist auf den Seiten von xmpp.org zu finden: An Overview of XMPP (nur in englischer Sprache)

Apps

Wenn ihr also einen Account registriert habt, braucht ihr noch eine Client-Software / eine App.

Ein paar Empfehlungen haben wir auf der Seite /apps zusammengestellt

Nachteile

Das klingt ja alles super... also wo ist das Problem?
Auch wenn das bisher alles gute Argumente waren, so gibt es auch Nachteile und Gegenargumente bei XMPP.
Die zwei wichtigsten sind:

Apps und deren Kompatibilität

Es gibt jede Menge verschiedene Apps für jedes Betriebssystem, siehe voriger Abschnitt. Eigentlich eine gute Sache, da man sich die beste App für seine Vorlieben auswählen kann.

In der Praxis bedeutet das aber, dass

  • jede App etwas anders zu bedienen ist, man sich also beim Wechsel umgewöhnen muss,
  • die Apps teilweise unterschiedliche Funktionen beherrschen und manche Features von XMPP nicht haben oder anders umsetzen
  • und daraus folgend nicht alle Apps perfekt miteinander harmonieren.

Will man beispielsweise dringend Audio/Videotelefonie nutzen, muss man zuerst testen, ob die eigene App und die App des Gesprächspartners miteinander funktionieren.

Nutzerzahl

Seien wir ganz ehrlich: Niemand nutzt XMPP. Wenn ihr dort allein einen Account eingerichtet habt, habt ihr schlicht niemanden mit dem ihr chatten könnt (öffentliche Chatgruppen ausgenommen). Es ist einfach noch nicht im Mainstream angekommen, die allgemeine Bekanntheit ist viel viel viel kleiner als WhatsApp/Telegram/Signal.

Zusätzlich spielt die Privatsphäre noch mit hinein: da wir eben nicht ungefragt bzw. zwingend euer Telefonbuch auslesen, gibt es auch kein Teilnehmerverzeichnis irgendeiner Art.

Lösung des Problems

Eine Möglichkeit die eben genannten Nachteile mit einem Mal loszuwerden ist, dass ihr aktiv nach Mitmachern sucht und zusammen in einer Gruppe beschließt, den Weg des freien Messaging zu beschreiten.

So eine Gruppe kann aus der eigenen Familie bestehen, dem Freundeskreis, sonstigen Interessengruppen oder auch ganzen Vereinen oder anderen Einrichtungen (Schulen?).

Innerhalb eurer Gruppe könnt ihr dann entscheiden welche Funktionen ihr benötigt (z.B. ob eure Chats dringend verschlüsselt sein müssen), und dann auswählen welche Apps zu diesen Anforderungen passen.

Auf diese Weise ist es viel simpler endlich sagen zu können: Happy Chatting mit Jabber/XMPP

Feedback

Das war ein sehr kurzer Überblick über Jabber. Hab ich was wichtiges vergessen? Ist noch etwas unklar?? Feedback ist willkommen.